Priming im Führungsalltag
Wie kleine Impulse große Veränderungen bewirken
Ob in der Werbung, bei der Interaktion zwischen Menschen – ob im Gespräch oder durch die Raumgestaltung – im Verkauf, in der Schule, am Arbeitsplatz – immer und überall. Der Kern liegt darin, dass Reize bestimmte Assoziationen oder Gedächtnisinhalte aktivieren. Priming ist das Bahnen von Prozessen und Assoziationen, die das Denken, Handeln und Fühlen beeinflussen. Durch äußere Reize wie z. B. Worte, Bilder, Umgebungen, Musik oder Gerüche sowie Erfahrungen wird das Verarbeiten von Informationen beeinflusst. Dieser Prozess läuft meist unbewusst ab. Hier ein paar Beispiele
- Denken wir an Mc Donalds oder an BurgerKing: Rot und Gelb zum Beispiel in Fast-Food-Werbung steigern den Appetit, während Grün Naturverbundenheit symbolisiert. Anzeigen mit lächelnden Gesichtern fördern positive Stimmungen und übertragen diese auf das Produkt, z. B. Kinderschokolade.
- Das Bild eines Uhrmachers bei der Arbeit weckt Assoziationen zu Präzision und Qualität.
- Schick gestaltete Büroräume wie z. B. bei Google, DesignOffices und der TeamBank beeinflussen unbewusst die Stimmung und Leistungsfähigkeit.
- Führungskräfte, wirken durch ihr Verhalten und ihre Haltung und prägen so die Verhaltensweisen ihrer MitarbeiterInnen ganz unbewusst. Z. B. wie sie an Herausforderungen herangehen und mit Veränderungen umgehen.
In diesem Artikel erfährst Du, wie Priming funktioniert, wie Du es als Führungskraft anwenden kannst und welche wissenschaftlichen Grundlagen dahinterstehen. Denn Priming ist im Führungskontext ein mächtiges Werkzeug, das tiefgreifende Veränderungen in der Teamdynamik bewirken kann. Eine kleine Übung dazu macht den Effekt von Priming erlebbar.
Wie funktioniert Priming?
So ist ein spezielles Gefühl mit vielen anderen assoziativen Verknüpfungen verbunden (z. B. Erinnerungen, Erfahrungen, Vorstellungen, physiologische Reaktionen). Diese können in Millisekunden aktiviert werden.
Wissenschaftliche Grundlagen
Priming kann in zwei Hauptarten unterschieden werden: Überschwelliges Priming verwendet Reize, die an der Grenze der bewussten Wahrnehmung oder darüber liegen. Beim unterschwelligen Priming wirken Reize so kurz, dass sie unbewusst verarbeitet, kognitiv jedoch registriert werden. In Studien zeigt sich allerdings, dass unterschwelliges Priming nur dann funktioniert, wenn es zu den momentanen Bedürfnissen einer Person passt. Ein klassisches Beispiel für unterschwelliges Priming ist, wenn in einem Weingeschäft italienische Musik läuft und unbewusst eher italienischer Wein gekauft wird. Wenn die Person keinen Wein trinkt, wird das Priming sehr wahrscheinlich keine Wirkung zeigen.
Laut Forschung erzeugt nicht jeder Reiz eine Wirkung. Das Verhalten wird nicht direkt durch den Reiz bestimmt, sondern bahnt das Netzwerk von Assoziationen im Gehirn und dieses Netzwerk steuert dann das Verhalten. Diese „Netzwerk-Bahnung“ ist besonders für Führungskräfte relevant, um die Dynamiken im Team zu verbessern.
Priming im Führungsalltag
Im Führungsalltag kann Priming eingesetzt werden, um eine positive, förderliche Arbeitsatmosphäre zu schaffen und das Verhalten von MitarbeiterInnen in eine gewünschte Richtung zu lenken. An dieser Stelle werden wahrscheinlich einige Leserinnen und Leser hellhörig. Deshalb sei schon vorweggenommen. Jede Technik hat eine ethische Verantwortung, darauf gehen wir später ein.
„Cells that fire together, wire together.“ Donald O. Hebb Neurowissenschaftler
Dieses bekannte Zitat, bringt den Mechanismus auf den Punkt. Es bedeutet, dass wiederholtes Aktivieren von neuronalen Netzwerken sie stärkt. Je öfter ein Prime genutzt wird, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass er eine starke Wirkung entfaltet.
Allein mit diesen Erkenntnissen lassen sich für Leader und Leaderinnen viele förderliche Verhaltensweise ableiten. Schon allein, wenn sich eine Führungskraft überlegt, welche neuronalen Netzwerke sie bei einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter ansprechen will, stecken viele Möglichkeiten. Will sie Motivation erzeugen, Ressourcen aktivieren und Potenziale nutzen, braucht es mehr stärkende, förderliche Kommunikation und ein coachiver Führungsstil ist hilfreich. Im Gegensatz werden durch Drohungen die „Alarm-Netzwerke“ angesprochen und der Zugriff auf innere Ressourcen wird meist erschwert.
Übung: Wie die Sprache Einfluss auf die Wahrnehmung hat.
Probiere die Übung am besten selbst aus und erlebe die Wirkung. So geht’s:
- Sage die folgenden Sätze zu Dir selbst und achte auf Deine innere Reaktion. Wenn Du eine/n SparringspartnerIn hast, lasse Dir die Sätze nacheinander vorlesen.
- Halte nach jedem Satz inne und schreibe Dir auf, wie der Satz auf Dich wirkt.
- Nutze hierfür die Skalentechnik. Messe auf Deiner inneren Skala von 1 – 10, wie angenehm der Satz auf Dich wirkt (1 = unangenehm, 10 = sehr angenehm)
Ein einfacher Satz wie „Ich habe ein Problem.“ kann durch kleine Anpassungen der Formulierung eine völlig andere Wirkung entfalten. Überprüfe für Dich, inwieweit Dein persönliches Erleben mit untenstehenden Aspekten übereinstimmt. Wahrnehmung ist höchst individuell, deshalb kann die Bewertung bei jeder Person unterschiedlich sein.
- Ich habe ein Problem.
Dies ist eine klassische problemorientierte Aussage, die Hilflosigkeit und Blockaden erzeugen kann. - Ich habe bisher ein Problem.
Das Wort „bisher“ öffnet die Möglichkeit, dass sich die Situation ändern kann. - Ich habe bisher noch das Problem.
Der Zusatz „noch“ impliziert, dass eine Lösung in der Zukunft möglich ist. - Ich hatte zwar das Problem, aber vielleicht...
Diese Formulierung lässt Raum für Alternativen und Lösungen. - Ich hatte zwar das Problem, aber es gibt Ausnahmen.
Dies stärkt den Fokus auf mögliche Lösungen und positive Ausnahmen.
Diese Übung zeigt, wie kleine sprachliche Änderungen die Wahrnehmung beeinflussen können. Du kannst dieses Prinzip in Mitarbeitergesprächen, Teammeetings oder Verhandlungen nutzen, um eine positive Atmosphäre zu schaffen.
Ethische Verantwortung
Es ist wichtig zu betonen, dass Priming grundsätzlich mit einer starken ethischen Verpflichtung einher geht. Wie bei anderen Führungsinstrumenten besteht die Gefahr des Missbrauchs. Führungskräfte sollten sich über das mächtige Werkzeug bewusst sein, dass es sowohl positiv als auch negativ wirken kann. Das Ziel ist es, die MitarbeiterInnen zu fördern, ihr Potenzial zu entfalten und eine unterstützende, wertschätzende Kultur zu schaffen. Es ist wie mit einem Messer, wir können Brot schneiden oder jemand damit verletzen.
Fünf Tipps für förderliches Priming
Nutze diese fünf konkreten Tipps, um positive Effekte in Deinem Team zu erzielen:
- Verwende eine zielgerichtete Sprache. Achte darauf, wie Du mit Deinem Team sprichst. Positive Formulierungen wie „Was können wir verbessern?“ statt „Was ist falsch gelaufen?“ fördern eine lösungsorientierte Denkweise. Wörter wie „noch“ und „bisher“ sind einfache sprachliche Primes, die große Wirkung haben.
- Gestalte die Umgebung bewusst förderlich. Unsere physische Umgebung beeinflusst Denkweisen und das Verhalten der Menschen. Kreative Räume fördern kreatives Denken, während formelle Räume zu konzentrierter und strukturierter Arbeit anregen. In Konfliktgesprächen kann ein Tisch als Barriere wirken oder – je nach Eskalationsstufe – auch als Strukturgeber oder Distanzelement dienen.
- Visualisiere Ziele. Ein attraktives, klar visualisiertes Zielbild wirkt als starkes Priming-Element. Wenn MitarbeiterInnen wissen, wohin die Reise geht, sind sie motivierter und engagierter. Verwende Metaphern oder Bilder, um das Ziel in den Köpfen Deiner Teammitglieder zu verankern. Kombiniere dies mit einer klaren Vorstellung des Weges, um die Wirksamkeit zu erhöhen.
- Beachte die Macht der Sitzordnung. Die Sitzposition in Meetings hat einen starken Einfluss auf die Wahrnehmung und das Verhalten. Menschen tendieren dazu, Machtpositionen an der Stirnseite des Tisches zuzuweisen. In Verhandlungen können harte Stühle eine dominantere Haltung fördern, während weiche Stühle eher Kooperation und Offenheit begünstigen.
- Priming mit Sinnen und Emotionen. Musik und sogar Süßigkeiten haben nachweislich eine Wirkung auf die Stimmung und das Verhalten. In Besprechungen fördern süße Speisen die Kooperation, während Brot die Hilfsbereitschaft steigern kann. Aktivierende Musik kann bei Teamevents positive Assoziationen erzeugen – einfach mal ausprobieren 😉.
Die Macht des Primings
Priming begegnet uns jeden Tag und hat große Auswirkungen auf die Teamdynamik und das individuelle Verhalten. Leader und Leaderinnen, die dieses Wissen bewusst einsetzen, können die Arbeitsatmosphäre positiv beeinflussen, das Vertrauen im Team stärken und die Zusammenarbeit verbessern. Sie achten auf die Macht der Sprache, die physische Umgebung und die Sinnesreize, und bewirken so kraftvolle Veränderungen.
Nutze diese Ansätze und beobachte, wie Dein Team motivierter, kreativer und lösungsorientierter wird – und wie Du selbstbewusster und erfolgreicher als Führungskraft agierst. Ein schöner Prime, oder?
Autorin: Renate Freisler